AfW-Hauptstadtgipfel am Puls der politischen Entscheidung: LVRG beschlossen

Das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) im Rahmen der anstehenden Regulierung war einer der Schwerpunkte des 11. AfW-Hauptstadtgipfels in Berlin. Der Vermittlerverband brachte Entscheider aus der Finanzdienstleistungsbranche mit Experten aus der Politik zusammen und gewährte einen Blick hinter die Kulissen der politischen Entscheidungsprozesse.

Schnelle Reaktion war notwendig

Am heutigen Freitag wird das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) nach ungewöhnlich kurzer Entstehungsphase im Bundestag verabschiedet. „Das anhaltende Niedrigzinsniveau führt dazu, dass die Stabilität im Versicherungssektor für die Zukunft nicht mehr gewährleistet ist“, sagte Anja Karliczek, MdB CDU, am Vortag vor rund 40 Entscheidern aus dem Kreis der Fördermitglieder des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung in einem Sitzungssaal des Reichstagsgebäudes. „Wir mussten hier schnell reagieren, rund 30 Versicherer sind durch das aktuelle Kapitalmarktumfeld gefährdet.“

„Der direkte Dialog zwischen politisch Verantwortlichen und Entscheidern aus unserer Branche stand im Vordergrund des 11. AfW-Hauptstadtgipfels“, beschreibt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher das Branchentreffen. „Der Berichterstatterin der CDU zum LVRG wurden die Standpunkte der Branche nochmals intensiv dargelegt und führte zu einem regen Gedankenaustausch“, so Rottenbacher weiter.

Derzeit werde der Sicherungsbedarf errechnet, also wie viel Leistungen die Versicherer ihren Kunden bereits versprochen haben. „So lange stille Lasten und stille Reserven im Ungleichgewicht sind, so lange kommen die Bestimmungen des LVRG zur Anwendung“, erklärte die CDU-Politikerin, die als Mitglied im Finanzausschuss maßgeblich an den Beratungen zu dem neuen Gesetz beteiligt war. Sollte sich das Zinsumfeld entspannen, sei eine Rückkehr zu den alten Regelungen möglich.

Höchstrechnungszins sinkt auf 1,25 Prozent ab 2015

Das LVRG sieht vor, den Höchstrechnungszins für neu abgeschlossene Lebensversicherungen von 1,75 auf 1,25 Prozent abzusenken und die Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren nicht mehr in voller Höhe an ausscheidende Versicherungsnehmer weiterzugeben. Stattdessen wird künftig ein Teil zurückgehalten, der für die Finanzierung der an die verbleibenden Versicherten gegebenen Garantiezusagen notwendig ist. Andernfalls würde der Sicherungsbedarf der Assekuranz immer weiter steigen.

Zudem müssen Versicherte künftig zu 90 Prozent statt bisher zu 75 Prozent an den Risikoüberschüssen beteiligt werden. Darüber hinaus wird die Maximalgrenze für den Zillmersatz von 40 auf 25 Promille abgesenkt. Damit darf nur noch ein kleinerer Anteil der im Geschäftsjahr angefallenen Abschlusskosten des Neugeschäfts auf die Folgejahre übertragen werden. „Wir sehen mit Bedenken, dass viele Verträge vorzeitig gekündigt werden und wollten hier mehr Anreize schaffen, dass Versicherte und Versicherungsunternehmen länger zusammenbleiben“, erklärte Anja Karliczek den AfW-Mitgliedern.

Transparenz bei Provisionen mit Gesamtkostenquote

Die Politikerin begrüßte, dass man von der ursprünglich geplanten Provisionsoffenlegung in Euro und Cent wieder abgekommen sei. „Dies hätte krude Ergebnisse erbracht, die aufgrund der Voraussetzungen der verschiedenen Vertriebswege zu mehr Verwirrung als Transparenz geführt hätten“, so Karliczek. Nun wird wie bei der Riester-Rente eine Gesamtkostenquote angegeben. Der Versicherungskunde erhält somit eine Kostenquote in Prozent, die für die Minderung der Rendite durch die Gesamtkosten steht. Diese Art der Kostentransparenz gilt ausschließlich für Lebensversicherungen.

„Warum die große Eile?“, fragten mehrere AfW-Mitglieder, der Verband hatte gerade einmal zwei Tage Zeit erhalten, eine schriftliche Stellungnahme zu dem erst Mitte Mai veröffentlichten Entwurf des LVRG abzugeben. Viele Branchenexperten erwarten große Schwierigkeiten bei der organisatorischen Abwicklung der neuen Regelung in der Branche, die derzeit mit den Vorbereitungen für Solvency II voll ausgelastet ist.

Bewertungsreserven werden sofort gekappt

„Die Situation bei den Bewertungsreserven ließ uns keine Wahl. Wir mussten konsequent einen schnellen ersten Schritt machen, damit die Lebensversicherungsbranche wieder auf stabile Füße gestellt wird“, betonte Karliczek. Die Bewertungsreserven werden daher umgehend gekappt, die anderen Regelungen zu Höchstrechnungszins und Zillmersatz gelten ab 1. Januar 2015.

Das für Gesetzesvorhaben extrem schnelle Verfahren sei ein Kompromiss, gab die Politikerin zu. Es gehe um ein politisches Signal noch vor der Sommerpause. Es habe durchaus Überlegungen einer schrittweisen Umsetzung auch von anderen, im LVRG nicht berührten Punkten gegeben. Eine Verschiebung auf 2016 sei jedoch inhaltlich schwer zu rechtfertigen, es gelte nun die Devise „Augen zu und durch“.

Evaluierung im Jahr 2018

Zu Solvency II wollte die CDU-Finanzexpertin noch keine Stellung nehmen, im Herbst will sich der Ausschuss unter anderem mit den anstehenden Regelungen bezüglich der Eigenkapitalausstattung befassen. Klar ist: Zum 1. Januar 2018 wird eine umfangreiche Evaluierung aller regulatorischen Maßnahmen im Versicherungsbereich durchgeführt. Dann ist Solvency II voraussichtlich bereits zwei Jahre in Kraft und es sollten genügend Praxis-Erfahrungen vorliegen, um notfalls einzelne Regulierungsschritte anzupassen oder zurückzunehmen.

Das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) wird heute mit den Stimmen der Regierungskoalition CDU/CSU und SPD (gegen die Stimmen der Oppositionsparteien Bündnis 90/Grüne und Linke) beschlossen und benötigt noch die Zustimmung vom Bundesrat, die noch vor der Sommerpause erfolgen soll.

Besonders engagiert: Die AfW-Fördermitglieder

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