LVRG II nicht in Sicht

Politik stellt gegenüber AfW klar: LVRG II nicht in Sicht

Beim 12. Hauptstadtgipfel des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung nahmen mit den beiden Staatssekretären Gerd Billen und Dr. Michael Meister maßgebliche Politiker zu aktuellen Fragen zu den laufenden Regulierungsvorhaben Stellung. Auch bei den finanzpolitischen Sprechern der SPD und Bündnis90/Die Grüne, Lothar Binding und Dr. Gerhard Schick standen neben Mifid II und der Förderung der Honorarberatung auch das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) im Zentrum.

Zum 23. Jubiläum des Berufsverbandes, der am 4. November 1992 gegründet wurde, trafen sich rund 40 Vorstände und Entscheider der Vermittlerbranche beim AfW in Berlin, um sich über die laufenden Regulierungsvorhaben zu informieren und ihren fachlichen Input anzubieten. Der Verband konnte gleich fünf hochrangige mit finanzpolitischen und regulatorischen Fragen befasste Politiker aus verschiedenen Parteien für einen Dialog gewinnen.

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Die Teilnehmer des 12. AfW-Hauptstadtgipfels mit Staatssekretär Dr. Michael Meister aus dem Bundesfinanzministerium, v.l.n.r.: Dirk Fischer, Stefan Heisig, Martin Stenger, Peter Schneider, Matthias Wiegel, Uwe Kremer, Jürgen Schirmer, Frank Rottenbacher, Christian Nuschele, Dr. Michael Meister, Tobias Haff, RA Norman Wirth, Ingo Buschmann, Karsten Dümmler, Tim Bröning, Olaf Czinna, Carsten Brückner, Andrè Wreth, Sven Meier, Jens Steiner, Alexander Schlichting, Friedrich A. Wanschka, Marc Schumann, Oliver Drewes, Charles Neus, Alexander Lehmann

Dr. Michael Meister, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium der Finanzen, trat Gerüchten entgegen, die Regierung habe bereits ein neues Lebensversicherungsreformgesetz in der Schublade, um angesichts der laufenden Niedrigzinsphase die Versicherer weiter zu entlasten. „Unser Ziel war, ökonomisch nicht gerechtfertigte Mittelabflüsse aus der Lebensversicherung zu stoppen“, so Meister.

LVRG wird erst in 2018 evaluiert

Man habe das Gesetz mit sehr viel Augenmaß gestaltet und die Eigenkontrolle des Versicherers, die Rechte des Aufsehers sowie die Generationengerechtigkeit innerhalb der Versichertengemeinschaft gestärkt. Maximal 25 Promille Höchstzillmersatz dürfen auf den Kunden umgelegt werden, höhere Kosten muss der Versicherer gegenüber dem Kunden rechtfertigen.

Es gebe gegenwärtig keine Überlegungen das LVRG zu korrigieren oder weitere Versionen dieser Gesetzgebung vorzubereiten. Im Jahr 2018 werde es eine reguläre Evaluierung des LVRG geben. „Dann müssen die Anbieter von Lebensversicherungen zeigen, dass das Vertrauen tatsächlich erreicht wurde“, so Meister.

Der CDU-Politiker bekräftigte zudem, dass die Aufsicht über die Finanzanlagenvermittler nach Paragraf 34f der Gewerbeordnung weiterhin bei den Gewerbebehörden verankert bleiben wird und nicht, wie immer wieder in der Branche gemutmaßt, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) übertragen werden soll.

Gerd Billen, Staatssekretär für Verbraucherschutz im Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz, legte vor allem Wert auf die Evidenz der Regularien und sprach sich dafür aus, die bisherigen Regeln stärker auf ihre Wirksamkeit und ihren Nutzen zu prüfen. Die Fehlentwicklungen der letzten Jahre seien weniger bei den klassischen Produkten, sondern eher am „grauen Kapitalmarkt“ aufgetreten. Hier habe das Kleinanlegerschutzgesetz für Klarheit gesorgt.

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v.l.n.r. Carsten Brückner (AfW), Norman Wirth (AfW), Staatssekretär Gerd Billen (BMJV), Frank Rottenbacher (AfW)

Hauptthema sei derzeit die Digitalisierung und ihre Auswirkungen. Eine Reduzierung von Komplexität, auch bei den Finanzprodukten, die über Online-Vertrieb angeboten werden, gehe damit einher.

Mifid II steht zur Umsetzung an

Billen gab zudem einen Überblick über die derzeit laufenden Regulierungsumsetzungen und nannte neben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und der anstehenden Novellierung der Versicherungsvermittlerrichtlinie (IDD) vor allem die Änderungen durch MiFid II als Herausforderung. Hier werde die Dokumentation des Beratungsprotokolls durch die Einführung einer Geeignetheitsprüfung und -erklärung ersetzt, die voraussichtlich weitreichender als das bisherige Protokoll ausfallen wird.

Auch Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erläuterte beim AfW-Hauptstadtgipfel Teile des 260 Seiten starken Referentenentwurfs zum Finanzmarktnovellierungsgesetz, das die Mifid-Regularien in deutsches Recht umsetzen soll. Der Entwurf liegt seit kurzem vor und wird derzeit diskutiert. Insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen unabhängiger und abhängiger Beratung werde dabei die Branche nachhaltig beschäftigen, so Binding. Unabhängig darf sich künftig nur nennen, wer keine Provisionen annimmt.

Mechthild Heil, Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erläuterte die fünf Säulen, auf denen die Verbraucherpolitik der Regierung beruhe: Verbraucherforschung, Verbraucherbildung, Transparenz und Information, Rechtsrahmen und die Rechtsdurchsetzung. „Verbraucher müssen in die Position gebracht werden, dass sie eigenverantwortlich entscheiden können“, so Heil. Die Wahlfreiheit bei den Beratungsformen sei besonders wichtig. Hier habe sich gezeigt, dass die Nachfrage nach Honorarberatung offenbar geringer sei als angenommen.

Die Rolle der Honorarberatung

Das wünschenswerte Nebeneinander von Honorarberatung und provisionsgestützter Beratung auf dem deutschen Markt wurde mehrfach von den Politikern auf dem AfW-Hauptstadtgipfel betont. Honorarberatung per se führe indes nicht zwangsläufig zu besserer Beratung. „Wir sehen hier einen deutlichen Erkenntnisgewinn der Politik. Von der früher wahrzunehmenden deutlichen Bevorzugung der Honorarberatung ist nicht mehr viel zu hören“, konstatiert Frank Rottenbacher, Vorstand des AfW. Das Honoraranlagenberatergesetz habe insofern ernüchternd gewirkt, da sich nur knapp hundert Berater über den Paragraf 34h der Gewerbeordnung haben registrieren lassen.

Auch das oft genannte Musterbeispiel Großbritannien, wo bei der Vermittlung von Altersvorsorgeprodukten ein Provisionsverbot herrscht, wird mittlerweile differenziert gesehen. „Die dort entstandene „Advice gap“, die weite Teile der Bevölkerung den Zugang zu qualifizierter Altersvorsorge- oder Kapitalanlageberatung verwehrt, ist problematisch und wird von der Politik hierzulande auch wahrgenommen“, so Rottenbacher.

„Dass Honorarberatung nur einen verschwindend geringen Teil des Marktes ausmacht, ist kein Argument, dass sie nicht funktionieren kann“, sagte hingegen Dr. Gerhard Schick, Vorsitzender des Finanzausschusses und Sprecher für die Finanzpolitik von Bündnis90/Die Grünen.

Der Preisausweis in der Finanzberatung sei vielerorts nicht klar, Problem sei die Verkopplung: „Die Bezahlung der Produkte und die Bezahlung der Beratung ist so zu trennen, dass jeder kapiert, wofür bezahle ich gerade. Die Beratungsqualität ist etwas anderes als das Produkt“. Schick sprach sich für die Verpflichtung aus, in der Beratung immer auch das entsprechende Nettoprodukt anzubieten und die Provision in Euro und Cent auszuweisen – bei Versicherungen wie Kapitalanlagen.

Der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung sieht den Hauptstadtgipfel als wichtiges Element für die Lobbyarbeit für unabhängige Berater. „Die mit Regulierungsfragen befassten Politiker nutzen unsere Veranstaltungen sehr gern, um in den direkten Kontakt zu den betroffenen Beratern und Vermittlern aus der Branche zu treten“, sagt AfW Vorstand Frank Rottenbacher. Daher werden sie auch gebeten rund die Hälfte ihrer Vortragszeit für Fragen aus dem Auditorium bereitzustellen. Eine Möglichkeit, die von den Teilnehmern ausgiebig genutzt wird. So baten Politiker mehrfach um Input und Praxisbeispiele. Zudem wurden sie auf Themen aufmerksam gemacht, die in Berlin noch nicht auf der Agenda stehen wie etwa die Rolle der Fintechs, die derzeit noch fernab jeder Regulierung in der Branche agieren.

Besonders engagiert: Die AfW-Fördermitglieder

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